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15.04.2014

"Mehr Berufsorientierung an Gymnasien"

Jugendliche müssen schon früh in die Lage versetzt werden, sich realistische Vorstellungen über Berufsbilder zu machen: "Deswegen muss die Berufsorientierung an den Schulen intensiviert werden, auch an den Gymnasien. Wir brauchen mehr Aufklärung über die vielfältigen Möglichkeiten im Handwerk, aber auch über die Anforderungen an bestimmte Berufe", fordert ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im Fachmagazin Das DACH (1. Quartal/2014).


In Zeiten des demografischen Wandels weiterhin genügend qualifizierte Auszubildende für das Handwerk zu begeistern. Wie wollen Sie diese Herausforderung angehen?

Wollseifer: Wir werben zum Beispiel mit der bundesweiten Imagekampagne für die ausgezeichneten Berufs- und Karriereperspektiven im Handwerk. Wir sprechen verstärkt Abiturienten an. Auch für Studienaussteiger ist das Handwerk eine Alternative. Zugleich fördern wir Jugendliche mit Startschwierigkeiten und beraten Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Muttersprache.


In einigen Gewerken ist die Zahl der Abbrecher unter den Lehrlingen erschreckend. Klagen über die Jugendlichen führen da kaum weiter. Was können ZDH und Betriebe selbst beitragen, damit gute Ausbildung gelingt?

Wollseifer: Abbrüche haben oft mit falschen Vorstellungen über das Berufsbild zu tun. Deswegen muss die Berufsorientierung an den Schulen intensiviert werden, auch an den Gymnasien. Wir brauchen mehr Aufklärung über die vielfältigen Möglichkeiten im Handwerk, aber auch über die Anforderungen an bestimmte Berufe. Bei Differenzen zwischen Betrieb und Azubi setzen wir intensiv Berater ein, oft selbst ehemalige Handwerker, denen die Vermittlung leichter fällt. Bei schwachen Leistungen unterstützen die Betriebe ausbildungswillige Jugendliche, oft mit Nachhilfestunden, damit sie erfolgreich sind.

Thema Energiewende. Was muss die Politik jetzt tun, damit die energetische Sanierung von Häusern endlich vorankommt?

Wollseifer: Sie muss sich endlich entschließen, die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung auf den Weg zu bringen. Denn Energieeffizienz ist eine unverzichtbare Säule der Energiewende. Die Umsetzung ist zuletzt an der Finanzierung gescheitert. Für mich unverständlich, da für Bund und Länder bei den anstehenden Investitionen Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe in Aussicht stehen.

Viele Dachdecker sehen den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn positiv, um Lohndumping im Handwerk zu verhindern. Wie ist da Ihre Einschätzung?

Wollseifer: Das Handwerk setzt sich seit Jahren erfolgreich für branchenspezifische Mindestlohnregelungen ein, um Lohndumping und illegale Beschäftigung zu bekämpfen. Im Dachdeckerhandwerk gibt es über die Allgemeinverbindlicherklärung einen Mindestlohn von 11,55 Euro, von einem gesetzlichen Mindestlohn ist es also nicht unmittelbar betroffen. Das Beispiel zeigt dabei sehr schön, dass branchenspezifische Lösungen der bessere Weg sind.

Zur Zukunft der Innungen. Vielfach gibt es Nachwuchsmangel, vor allem junge Betriebsinhaber sehen keinen Nutzen in der Mitgliedschaft und beklagen hermetische Entscheidungszirkel der „Alten“. Wie können Innungen attraktiver werden?

Wollseifer: Innungen bilden das tarifpolitische und fachliche Rückgrat des Handwerks. Der Strukturwandel im Handwerk stellt sie vor große Herausforderungen. Sie müssen stärker für ihre Dienstleistungen werben und ihre tarifpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Zugleich müssen sie wieder ihre Funktion als Forum für den kollegialen Gedankenaustausch mit mehr Leben füllen. Dazu gehört, dass sie das Lebensgefühl junger Unternehmer ansprechen und auch ihre Gremien so besetzen, dass sie für etablierte und junge Unternehmen gleichermaßen attraktiv bleiben.

Gibt es ein Thema, dass Ihnen besonders am Herzen liegt und das Sie als ZDH-Präsident voranbringen wollen?

Wollseifer: Der Meisterbrief - er ist Garant für wirtschaftliche und fachliche Stabilität. Die duale Ausbildung bis zum Meister sichert die Qualität im Handwerk und damit seine Wettbewerbsfähigkeit. Wir werden auch in Brüssel intensiv für die Beibehaltung des Meisterbriefs werben und für das erfolgreiche System der dualen Ausbildung.

Interview: Knut Köstergarten

Quelle: www.zdh.de unter Presse/Interviews vom 10.04.2014