20.12.2021
Digitales Aufmaß: ein Quantensprung
Nordhorn. Wie sich Objekte, Räume und sogar ganze Gebäude digital aufmessen lassen, welche Vorteile das digitale Aufmaß hat und welche Hilfsmittel es dazu braucht, haben Vertreterinnen und Vertreter des Grafschafter Handwerks bei dem Vortrag „Digitales Aufmaß und 3D-Visualisierung“ in der Kreishandwerkerschaft Grafschaft Bentheim erfahren.
Das digitale Ausmessen habe zahlreiche Vorteile im Vergleich zum händischen Messen, betonte Holtz: „Die Kosten und der Zeitaufwand sind geringer, die Daten können schnell weiterverarbeitet werden, die Messungen sind besser nachvollziehbar und außerdem ist die Methode zukunftssicher. Schließlich sind Planungsverfahren wie das Building Information Modelling (BIM) auf dem Vormarsch.“
Einen wichtigen Helfer dafür hat mittlerweile so gut wie jeder in der Hosentasche: das Smartphone. „Smartphones sind bereits mit zahlreichen Sensoren ausgestattet und eignen sich deshalb in Kombination mit verschiedenen Apps sehr gut für das digitale Aufmaß“, erläuterte der Experte. Meist beruhen die Apps auf Augmented Reality: Videos und Bilder werden durch computergenerierte Zusatzinformationen oder virtuelle Objekte ergänzt. In Kombination mit einem Lasersystem lasse sich nicht nur das Aufmaß digital erstellen, sondern auch die Präsentation beim Kunden. „So können die Kundinnen und Kunden zum Beispiel ihr neues Bad schon vorher virtuell begehen“, schilderte Holtz die Vorteile.
Der Diplom-Ingenieur stellte außerdem die Laufzeitmessung mithilfe der Laser-Messtechnik vor. Dabei wird die Entfernung zwischen Quelle und Objekt mittels der sogenannten Pulslaufzeit gemessen: Das ist der Zeitraum, in dem ein Lichtstrahl von einer Quelle zu einem Reflektor und wieder zurück zur Quelle läuft. Durch das Messen der Laufzeit kann man über die Lichtgeschwindigkeit dann die Distanz zwischen Quelle und Objekt ermitteln. „Die geringe Reaktionszeit dieses Verfahrens ist ein enormer Vorteil“, informierte Holtz. „Das Verfahren hat außerdem einen Messbereich von einem Meter bis zu mehreren zehn Kilometern.“ Allerdings sei es notwendig, dass erforderliche Messungen in Nano- oder Picosekunden ausgeführt werden. „Deshalb erhält man eine hohe Auflösung nur über einen Abstand von wenigen Zentimetern“, führte der Experte aus.
Eine weiteres Verfahren in der Lasermesstechnik ist die Lasertriangulation. Dabei wird ein Laserstrahl pulsierend auf ein Objekt gesendet. Ein Sensor nimmt die reflektierten Lichtsignale auf. Ändert sich die Entfernung des Messobjekts vom Sensor, ändert sich auch der Eintrittswinkel der Reflektion und damit die Position seines Abbildes auf dem Fotoempfänger. Aus der Positionsänderung wird dann mithilfe der Winkelfunktionen die Entfernung des Objekts vom Laserprojektor berechnet.
Bei der 3D-Laser-Messtechnik wiederum haben sich zwei Messverfahren etabliert: das tachymetrische Prinzip und das 3D-Laserscanning. Beim tachymetrischen Verfahren werden mithilfe eines Laser-Messsystems 3D-Koordinaten markanter Objektpunkte einzeln erfasst – entweder durch manuelles Drehen und Schwenken des Messgerätes oder motorisch betrieben und per Funkfernbedienung gesteuert. Aus den Messdaten lassen sich dann 3D-Aufmaßskizzen erstellen, die über Software auch in CAD-Formate konvertiert werden können. „Das tachymetrische Verfahren eignet sich vor allem für das schnelle, dreidimensionale Aufmaß schiefwinkliger, runder oder frei geformter Räume“, ordnete Holtz ein. Das 3D-Laserscanning wiederum sei besonders dazu geeignet, komplexe und stark strukturierte Objekte sowie technische Anlagen zu erfassen. Bei diesem Verfahren tastet ein Laserscanner das Umfeld in einem dichten Raster von Messpunkten ab. „Es werden mehr oder weniger wahllos Millionen von Messpunkten selektiv gemessen“, schilderte der Experte. „Die sogenannten Punktwolken müssen dann später im Büro ausgewertet werden.“
Der Diplom-Ingenieur präsentierte den Teilnehmenden darüber hinaus das 3D-Aufmaß mit der Fotogrammetrie. Dabei werden Tiefeninformationen gleicher Punkte in mehreren Bildern trianguliert – es wird also ein Netz von trigonometrischen Punkten hergestellt. Dafür muss jeder Punkt in mindestens zwei verschiedenen Fotos sichtbar sein, die Bilder müssen sich also überlappen. „Die Erstellung von 3D-Modellen ist so schon mit handelsüblichen Smartphones oder einer 360-Grad-Kamera möglich“, betonte Holtz. Noch professioneller werden die Aufnahmen mit einer Drohne. Dafür braucht man jedoch einen Führerschein. „In der Regel sind zusätzlich Sondergenehmigungen vor einem Flug notwendig“, räumte der Diplom-Ingenieur ein. „Vor allem dann, wenn man in der Nähe von Baugebieten, Bahngleisen, Wasserstraßen oder auch von Menschenansammlungen fliegen möchte.“ Mit der entsprechenden Software können dann Flugbahnen berechnet werden, die die Drohne selbstständig abfliegt. Anhand eines Beispiels des BFE-Campus in Oldenburg zeigte Holtz anschaulich, wie sich ein 3D-Modell mithilfe des Verfahrens erstellen lässt.
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte der Diplom-Ingenieur Holtz Digitalisierungsmöglichkeiten bei der Planung von Blitzschutzsystemen vor. Auch dabei kommt eine Drohne zum Einsatz: Im ersten Schritt werden die notwendigen Daten für die Flugroute der Drohne festgelegt und die Flugparameter wie Höhe, Flugwinkel und Flugraster bestimmt. Während des Drohnenflugs können die Parameter dann gegebenenfalls angepasst oder zusätzliche Routen geflogen werden. Im Anschluss folgt die Auswertung der Bilder und die Generierung einer Punktwolke. Auf dieser Grundlage lässt sich dann ein 3D-Modell erstellen. Mithilfe des maßstabsgetreuen Modells, in dem auch Türen und Fenster zu sehen sind, lässt sich ein Blitzschutzsystem direkt und sehr genau auf das Gebäude modellieren.
Sascha Wittrock, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Grafschaft Bentheim, betonte: „Die Verfahren fürs digitale Aufmaß sind ein echter Quantensprung für alle Handwerksbetriebe. Damit lässt sich viel Zeit und Aufwand sparen und ein Mehrwert für alle generieren – sowohl für die Unternehmen, ihr Team und ihre Kundinnen und Kunden.“
Bildquelle: Adobe Stock, Gerhard Seibert