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05.03.2020

So funktioniert moderne Führung

Nordhorn. „Die zentrale Aufgabe einer Führungskraft besteht darin, ihre Mitarbeiter so zu entwickeln, dass sie sich möglichst optimal in ihrer Arbeit selbst verwirklichen können.“ Mit dieser These konfrontierte der Führungsexperte Professor Dr. Peter Nieschmidt aktuell rund 70 Vertreter des Grafschafter Handwerks im NINO-Hochbau. Nieschmidt war auf Einladung der Grafschafter Bauinnung nach Nordhorn gekommen, um über „Arbeit und Führung im Wandel“ zu sprechen.


Nach der Begrüßung durch den Obermeister Oliver Renner kam der ehemalige Professor der FH München gleich pointiert zur Sache. Seine Forderung: Mitarbeiter sollten keine Betroffenen im Arbeitsprozess, sondern Mitgestalter sein, die somit selbst an ihrer Lebensverwirklichung mitwirken können. „Bietet die berufliche Arbeitswelt dafür keinen Raum und keine Möglichkeit, werden sich die Mitarbeiter diese Möglichkeit woanders suchen und damit ihre besten Potenziale außerhalb des Betriebes realisieren“, gab der Experte zu bedenken.


Die Aufgabe von Führungskräften sei es vor diesem Hintergrund, ihre Mitarbeiter gezielt so einzubinden und zu fördern, dass sie ihre Potenziale auch wirklich optimal für das Unternehmen einsetzen. Wenn das gelinge, davon zeigte sich Nieschmidt überzeugt, könnten „erhebliche Produktivitätsreserven“ aktiviert werden. Ein Selbstläufer sei das aber nicht.

Im Folgenden skizzierte der Fachmann daher drei zentrale Führungsaufgaben. Erstens: Eine Führungskraft muss in der Lage sein, die Talente und Eigenschaften ihrer Mitarbeiter zu erkennen. „Ist ein Vorgesetzter nicht fähig, diese soziale Interaktionskompetenz zu entwickeln, ist er selbst bei genialer Begabung für Fachprobleme mit einer Führungsaufgabe überfordert. Sie ihm dennoch zu übertragen, heißt nicht nur, ihn und seine Mitarbeiter letztlich zu frustrieren, sondern auch wertvolle Arbeits- und Lebensenergie in fruchtlosen Kommunikationsprozessen zu vergeuden“, so der Professor, der daher auch betonte, dass längst nicht jede gute Fachkraft auch eine gute Führungskraft ist.

Die zweite zentrale Aufgabe sei aus seiner Sicht die „radikale Flexibilisierung der Arbeitszeit“. Arbeitszeiten dürften nicht auf Basis von Betriebsordnungen oder Flächentarifen festgelegt werden, sondern unter Einbeziehung der Mitarbeiter. Zusammen mit ihrer Führungskraft sollen sie entscheiden, wie viele Kapazitäten auf ein Projekt verwendet werden müssen, damit es zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden kann. „Auf diese Weise entsteht eine in ihrer Motivationskraft und Produktivität nicht zu überschätzende Bewusstseinsveränderung bei den Mitarbeitern. Aus dem gezwungenen Arbeitnehmer wird Schritt für Schritt ein freier, verhandlungsfähiger Auftragnehmer“, so die Argumentation des Professors, der sich die Königsdisziplin der Führung als dritten und letzten Punkt aufgespart hatte: „die pädagogische Gestaltung von Arbeitsaufgaben als Lernfeld“.

Wie das gelingt? Indem Führungskräfte ihre Mitarbeiter aktiv weiterentwickeln und auch bei Aufgaben mitwirken lassen, die sie am liebsten selbst übernehmen würden – vielleicht auch, um vor den Kollegen brillieren zu können. „Genau diese Heilige Kuh gilt es zu opfern als Lernfeld für den begabtesten Mitarbeiter – selbst wenn die Erfüllung dieser Aufgaben damit kaum besser gelingt und sicherlich mehr Zeitaufwand erfordert. Als Lohn winkt dem Vorgesetzten im Laufe der Zeit allerdings die Entwicklung einer Kompetenz, von deren Fehlen er zunächst gar keine Ahnung hatte“, betonte Nieschmidt, der darauf verwies, dass sich bei einem solchen Prozess auch die Führungskraft selbst weiterentwickelt. Sie erkennt so zum Beispiel, welcher Mitarbeiter wann wie viel Hilfe benötigt, welcher unbedingt alles allein machen kann oder wer Rat als Einmischung und Kontrolle wertet.

Auch wenn Nieschmidt weiß, dass nach wie vor viele Vorgesetzte ihr Herrschaftswissen lieber für sich behalten, ist er davon überzeugt, dass dem anderen Führungs-Typ die Zukunft gehört, weil er für sein Unternehmen Ressourcen erschließt. Denn: „Das wichtigste Produktivvermögen eines Unternehmens wartet in den Köpfen der Mitarbeiter“, brachte es der Experte abschließend auf den Punkt.

Bildunterschrift
Das Bild zeigt von links: Obermeister der Bauinnung Grafschaft Bentheim Oliver Renner, Prof. Dr. Peter Nieschmidt sowie Sascha Wittrock, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Grafschaft Bentheim.